Menschliche Überreste. In einem Erdloch. In ihrem Garten.
Als Mutter von drei erwachsenen Kindern lebt Nadine Witt genau an dem Ort, wo einst verstümmelte Leichen gefunden wurden, auf der Urlaubsinsel Fehmarn. Als freie Journalistin und Integrationsbeauftragte sind es vor allem reale und aktuelle Themen, die sie reizen.
1975 in Lübeck geboren fuhr sie als Teenager mit dem Fahrrad Blumensträuße aus und kaufte sich von dem ersparten Geld eine mechanische Schreibmaschine. Mit lautem Geklimper und reichlich Tipp-Ex tippte sie auf diese Weise ihre ersten Geschichten auf Papier.
Dies war der Grundstein einer großen Leidenschaft!
Als Mutter von drei erwachsenen Kindern lebt Nadine Witt genau an dem Ort, wo einst verstümmelte Leichen gefunden wurden, auf der Urlaubsinsel Fehmarn. Als freie Journalistin und Integrationsbeauftragte sind es vor allem reale und aktuelle Themen, die sie reizen.
1975 in Lübeck geboren fuhr sie als Teenager mit dem Fahrrad Blumensträuße aus und kaufte sich von dem ersparten Geld eine mechanische Schreibmaschine. Mit lautem Geklimper und reichlich Tipp-Ex tippte sie auf diese Weise ihre ersten Geschichten auf Papier.
Dies war der Grundstein einer großen Leidenschaft!
Ein Blick hinter die Kulissen
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Was hat dich dazu bewegt, nach dem ersten Buch "Der Blaubart von Fehmarn" weiterzuschreibend - und diesmal den Opfern eine Stimme zu geben?
Nach dem ersten Buch dachte ich, die Geschichte sei erzählt. Aber dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Die Stille begann zu sprechen. Menschen meldeten sich, die plötzlich bereit waren, Erinnerungen zu teilen, die jahrzehntelang verschlossen waren. Manche waren verdrängt, andere wurden nie ausgesprochen. Und plötzlich war da diese Dringlichkeit – als würde etwas Unausgesprochenes endlich ans Licht wollen. Es war, als würde die Vergangenheit sich erneut Gehör verschaffen. Dieser Sog aus neuen Erkenntnissen und bisher ungesagten Wahrheiten machte es unmöglich, die Geschichte ruhen zu lassen.
Es war nicht genug, nur den Täter zu hören. Die Opfer hatten ihre eigene Geschichte, ihre eigene Wahrheit. Und sie war anders – verletzlich, verstörend, mutig. Dieses zweite Buch ist nicht nur eine Fortsetzung. Es ist ein Akt des Zuhörens. Und vielleicht auch ein Stück Gerechtigkeit.
Was hat sich verändert, seitdem du das erste Buch veröffentlicht hast?
Ich habe gedacht, ich hätte mit dem ersten Buch einen Schlussstrich gezogen – aber in Wahrheit war es nur ein Anfang. Es kamen Reaktionen, Briefe, persönliche Gespräche. Menschen, die mir sagten: „Da fehlt noch etwas.“ Und sie hatten recht. Die Geschichte hatte eine zweite Seite – und die war mindestens genauso wichtig.
Warum war es dir so wichtig, den Opfern eine Stimme zu geben?
Weil sie zu lange geschwiegen haben – oder zum Schweigen gebracht wurden. Es ist leicht, sich in die Psyche eines Täters zu vertiefen, darin liegt eine gewisse Faszination. Aber die Opfer? Ihre Sicht, ihre Gefühle, ihre Wunden – das ist das, was wir oft ausblenden. Dabei liegt dort die eigentliche Wahrheit. Ich wollte hören, wie es für sie war. Und ich wollte, dass andere es auch hören.
Wie war es für dich, diese Geschichten zu schreiben?
Erschütternd. Es hat mich emotional an Grenzen gebracht, weil ich plötzlich nicht mehr beobachten, sondern mitfühlen musste. Ihre Geschichten waren roh, ehrlich, manchmal schwer zu ertragen. Aber genau deshalb waren sie so wichtig. Ich war nicht mehr der Erzähler über einen Täter – ich war Zuhörerin, Mitfühlende, manchmal sogar Sprachrohr.
Was unterscheidet „Der Blaubart lebt“ von dem ersten Buch?
Im ersten Buch spricht der Täter. Er inszeniert, rechtfertigt, lenkt den Blick. Im zweiten Buch bricht diese Kontrolle. Jetzt sprechen diejenigen, die er verletzt hat – und sie erzählen eine andere Geschichte. Eine Geschichte über Angst, Manipulation, Überleben. Es ist kein Krimi mehr, es ist eine Sammlung von Stimmen, die endlich gehört werden wollen.
Was hoffst du, wird dieses zweite Buch bei den Leserinnen und Lesern auslösen?
Ich hoffe, dass sie zuhören. Wirklich zuhören. Dass sie erkennen, wie komplex Schuld und Trauma sein können. Und vielleicht auch, dass Schweigen niemals das Ende einer Geschichte ist. Sondern oft erst der Anfang.
Was hat Sie daran gereizt, Ihr erstes Buch zu schreiben?
Die zerstückelten Leichenteile lagen bei mir im Garten.
Aus journalistischer Neugier sammelte ich Informationen. Eigentlich wollte ich nur wissen, was damals passiert war, um welche Frauen es sich handelte und was der Mann an sich gehabt haben musste, dass ihm die Frauen reihenweise zu Füßen lagen. Dass jemand einem anderen Menschen das Leben nimmt, ist ja schon schlimm genug, doch was für einen Grund kann jemand gehabt haben, dass er sie anschließend auch noch zerstückelte? Was waren seine Motive? So tauchte ich immer tiefer in das Thema ein und merkte schnell, dass es mich nicht so einfach wieder loslassen würde.
Man könnte sagen, dass die Geschichte es gewesen war, die mich ausgesucht hat.
Wie kamen die ersten Zeilen in Ihr Buch?
An der Mördergrube ritt ich mit meinem Schimmel fast jeden Morgen vorbei in Richtung Strand. Der ehemalige Tankwart hatte mir die Lage einst gezeigt. Damals wusste er noch nicht, wofür er das Loch graben sollte. Es war ein Auftrag, eine Gefälligkeit, für die er großzügig bezahlt wurde. Er war es am Ende, der der Kriminalpolizei den entscheidenden Tipp gab, um eines der größten Kapitalverbrechen der Nachkriegszeit aufzudecken. Zusammen mit der Kriminalpolizei schaufelten sie das Loch wieder auf. Doch es befand sich weder gestohlener Schmuck verflossener Liebschaften darin, noch Aas, um Wildtiere anzulocken ...
Es berührte mich, wie er bildlich von seinen Erinnerungen erzählte, den widerlichen Verwesungsgeruch beschrieb und wie ihm die Erkenntnis kam, dass es sich nicht um Kadaver, sondern um menschliche Körperteile handelte.
Eines Tages passierte etwas Seltsames.
Es war sehr nebelig, die Sicht gleich Null. Zudem war es merkwürdig still als würde die Natur selbst den Atem anhalten. Ein magischer Moment. So ruhig und friedlich. Und unheimlich. Nur der monotone Hufschlag meines Pferdes war zu hören. Ich bekam eine wahnsinnige Gänsehaut, und dann spielte meine Fantasie total verrückt. Hinter jedem Baum oder Busch vermutete ich einen Hinterhalt. Auch wenn ich die Stelle nicht sehen konnte, wusste ich ganz genau, wo sich die ehemalige Luderkuhle befand, in der die Körperteile der ermordeten Frauen vergrabenen lagen. Eigentlich verrückt, doch in diesem Moment bekam ich ein mulmiges Gefühl. Genauso gruselig, wie wenn man im Dunkeln alleine in einen Keller geht und sich vorstellt, dass dort unten etwas auf einen lauern könnte.
Doch genau diese Situation war mein Schlüsselerlebnis! Als ich in den Stall zurückkehrte, entschloss ich mich, mehr über die Geschehnisse herausfinden zu wollen. Was war der Mörder für ein Mensch? Ich meine, es ist eine Sache, Menschen zu töten, doch eine ganz andere, diese zu enthaupten und ihnen die Gliedmaßen abzutrennen. Wieso tut jemand so etwas Schreckliches? Welche Frauen fielen ihm zum Opfer? Gab es Überlebende? Was genau war passiert? Fragen über Fragen und der Beginn einer aufwendigen Recherchearbeit begann ...
Spielten Pferde schon immer eine Rolle in Ihrem Leben?
Die edlen Tiere haben mich schon immer fasziniert. Selbst wenn sie bunt und aus Plastik waren :)
Wie sieht es mit der eigenen Familie aus?
Ich lebe in einer festen Partnerschaft und bin Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie machen mich dankbar und stolz.
Was ist das schönste Geräusch aus Ihrer Kindheit?
Das Rauschen des Windes, der sich in einer Tanne verfängt. Meine Großmutter lebte auf dem Land und hatte direkt am Feldrand zwei einzelne Tannen stehen. Darunter stand eine Holzbank. Zu gern habe ich auf dieser Bank gesessen und dem Spiel des Windes gelauscht. Heute liebe ich den Wellenschlag an der rauen Ostseeküste und das Kreischen der Möwen im Wind.
Woran denken Sie bei Ihrer Kindheit?
Ich war schon immer ein sehr aktives Kind und absolut sportbegeistert. Bereits im Alter von 5 Jahren war ich bei Rot-Weiss Moisling und liebte Kunstturnen. Mit 11 Jahren wechselte ich zu Reiten, Schwimmen und Leichtathletik.
Sie mögen Sport?
Auf jeden Fall! Meine verstorbene Großmutter war und ist mir auch heute noch mein größtes Vorbild. Sie war bis ins hohe Alter aktiv, fuhr gern Fahrrad und ging viel spazieren. Ihr Motto war immer: "Wer rastet, der rostet." Recht hatte sie. Als Kind habe ich die ewig langen Spaziergänge gehasst. Wie Kinder eben so sind, irgendwann wollen sie nicht mehr :)
Heute bin ich dankbar, dass meine Oma so hartnäckig war. Es ist mein Ausgleich für das viele Sitzen. Ein Schreiberling ist eben eher ein Stubenhocker ...
Wenn ich dazu komme, wandere ich liebend gern auf Bergen. Die Wandergipfel am Walchensee haben es mir besonders angetan. Wenn man erst einmal oben angekommen ist, hat man einen Fernblick "zum Niederknien". Auf Fehmarn fahre ich gern Inliner und liebe es, im Sommer am Strand Beachvolleyball zu spielen.
Mein Lebenspartner ist querschnittgelähmt. Mit ihm gemeinsam habe ich drei neue Sportarten gelernt: Boxen im Sitzen, Monoski und Kitesurfen.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie gerne schreiben?
Meine Mutter bescheinigte mir bereits in meiner Kindheit eine blühende Fantasie. Als Blumenkurier verdiente ich nur ein paar Mark pro Tour. Doch irgendwann hatte ich genug zusammen und meine erste eigene Schreibmaschine in einem leuchtenden Gelb war mein größter Schatz. Neben der Schule besuchte ich noch einen Schreibmaschinenkurs und lernte das „Zehnfingersystem“ auf so einem altmodischen Gerät, heute antiqua. Für meine Fingerchen empfand ich das Herunterschlagen der einzelnen Tasten als sehr anstrengend, zudem saute ich mir auf dem von Hand betriebenen Steinzeitgerät ständig die Finger mit dem Farbband ein. Aber auf diese Weise entstanden meine ersten Kindergeschichten, die ich zu Papier brachte.
Wie schreiben Sie heute?
Mit der Schreibmaschine, der Hand oder dem Computer?
Zumindest auf keinen Fall mit einem Diktiergerät. Damit komme ich überhaupt nicht klar. In meinem Kopf stauen sich manchmal so viele Wörter und Ausdrücke gleichzeitig an, dass meine Zunge ins Stolpern kommen würde, dies alles auszusprechen. Das Diktiergerät würde mich sicher nicht verstehen können. Den Wirrwarr aus meinem Kopf auf den Punkt zu artikulieren, ist für mich oft undenkbar. Meine Finger sind es, die wie von selbst über die Tastatur fliegen, während ich die Gedanken in meinem Kopf nach und nach sortieren kann. Hauptsache erstmal irgendwie raus damit. Anschließend muss ich den Kauderwelsch vor meinen Augen natürlich durchsortieren und in verständliche Sätze umbauen. Aber in meinem Kopf ist wieder „Luft“ und ich fühle mich wie befreit. Diese Methode würde ich jedem raten, der mit dem Schreiben anfangen möchte.
Die gute alte Schreibmaschine hat ausgedient, die habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr in den Fingern gehabt. Manchmal habe ich spontane Eingebungen, die ich als Notiz in mein Handy eingebe. Wenn ich Zeit und Muße habe, kann ich sie ganz entspannt abrufen und in meine Textpassagen einbauen. Zu Hause sitze ich gern am Schreibtisch mit Blick in den Garten und auf die Tannenbäume oder bei schönem Wetter auf der Terrasse mit Laptop in meiner überdachten „Sonneninsel“. Ein Traum.
Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?
1995 machte ich in der Hansestadt Lübeck meinen Abschluss als staatlich geprüfte Wirtschaftsassistentin mit den Schwerpunkten Fremdsprachen und Tourismus. In diesem Rahmen hatte ich die Möglichkeit, die schwedische Sprache zu erlernen. Ich liebe dieses Land! Die ursprüngliche Natur und die freundlichen Menschen sind einzigartig. Seit meiner Jugend pflege ich eine "Brieffreundschaft" mit meiner Austauschschülerin. Sie wohnt im Randgebiet von Stockholm inmitten von Wald, Schluchten und schroffen Felsen. JAG ÄLSKAR DET!
Nach der Geburt meines ersten Kindes zog ich 1997 von der Hansestadt Lübeck nach Fehmarn. Dort arbeitete ich zwölf Jahre als Journalistin beim Fehmarnschen Tageblatt. Der damalige Redaktionsleiter hatte zufällig den gleichen Nachnamen wie ich. Heiko Witt verstarb leider viel zu früh. Ich bin ihm auch heute noch sehr dankbar, denn er hatte von Anfang an an mich geglaubt. Bei ihm lernte ich das Handwerk rund um die lokale Berichterstattung von der Pike auf an. Parallel arbeitete ich auf einem Reiter- und Ferienhof und übernahm im Mai 2011 den ehrenamtlichen Vorsitz des Vereins "Reiten auf Fehmarn".
Meine erste Berührung mit Integrationsarbeit machte ich 2016 bei der Kommunalverwaltung der Stadt Fehmarn. 2018 ging es für mich in dem Bereich auf sportlicher Ebene weiter. Seit 2018 bin ich über den Landessportverband Schleswig-Holstein zertifizierte Integrationslotsin im Sport und initiierte Schwimmkurse für Frauen, Vorschulkinder sowie Schulkinder.
2019 erhielt ich beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) meine Lizenz als Übungsleiterin mit dem Profil Kinder und Jugendliche sowie mein Zertifikat für die Pädagogische Förderung mit Pferden. Im Februar 2023 habe ich meinen eigenen Verein gegründet, einen Verein zur Förderung von Mobilität & Vielfalt mit Sitz in Ostholstein. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, sich sportlich zu bewegen, denn Sport macht Spaß und hält Geist und Körper gesund. Zudem ist es eine wunderbare Möglichkeit, um Kontakte zu knüpfen und Gemeinschaft zu erleben. Mit dem gemeinnützigen Verein entwickle ich Sportprojekte für besondere Bedarfe und biete Bewegungslust und Lebensfreude:
Gibt es weitere Veröffentlichungen?
Eine Dokumentation über die Hintergründe und die Entstehung des Buches wurde im Januar 2014 im NDR unter der Rubrik „Zeitreise“ ausgestrahlt. Aufgrund von Urheberrechten ist das Video leider nirgends im Netz zu finden. Auf Lesungen darf ich allerdings einen Einblick gewähren. Das belebt eine Lesung natürlich ungemein und macht sie dadurch sehr besonders.
Radiobeiträge gab es von RSH und NDR (siehe Radiomitschnitte).